Arbeitsgruppe Margaretha Reichardt

Beitrag in der TLZ: Anna Schröder trug Bauhaus-Idee weiter

Enge Mitarbeiterin der Textilkünstlerin Margaretha Reichardt wäre am 5. Februar 100 Jahre alt geworden

Erfurt. Ein Zufall ebnete den beruflichen Weg von Anna Schröder: Bei den Streifzügen der Natur liebenden jungen Frau durch den Steiger stieß sie auf ein Paket Teppichwolle. Es war die Zeit der Plünderungen gegen Ende des Zweiten Weltkriegs, erinnert der in Dresden lebende Neffe, Gerd Albers. Ob verloren, oder als zu schwer empfunden – die rechtschaffene, am 5. Februar 1921 in Rhoda Geborene, suchte den Besitzer ausfindig zu machen.

In der Familie war bekannt, dass in der Gegend um Bischleben/Möbisburg die diplomierte Bauhaus-Absolventin Margaretha Reichardt eine Werkstatt betrieb. Schnell kamen die beiden Frauen ins Gespräch, wobei die Designerin offenbar den kreativen Geist von Anna Schröder spürte. Sie bot ihr an, in der Weberei mitzuhelfen. Schon bald schloss sich eine fundierte Ausbildung an, die Anna am 31. August 1954 mit dem Facharbeiterbrief als Kunstweberin abschloss. Gern hätte sie anschließend auch den Meisterbrief erworben, doch das wäre mit zu hohen Kosten für Grete Reichardt (unter diesem Namen führte sie die Kunstweberei) verbunden gewesen.

Dennoch bildete Anna Schröder später mehrere Weberinnen und Weber aus, zu denen sie noch im hohen Alter enge Kontakte pflegte. Unter anderem bei so genannten Spinnstubenstunden, von denen sie begeistert den Mitbewohnern im Seniorenzentrum Andreashof erzählte. In das von Grund auf sanierte Haus zog sie als eine der Ersten im Sommer des Jahres 2010 ein, wie von der Leiterin des Hauses, Christiane Gleiser-Schmidt, zu erfahren war. Anna Schröder habe durch ihr freundliches Wesen die Atmosphäre des Seniorenzentrums mit geprägt, wobei sie vom Bauhaus und der Kunstweberei unter Margarethe Reichardt lebendig berichtete. Auch von ihren Ausflügen mit dem Rollator, die sie vom Andreashof bis in den Steiger führten, bei denen sie neue Kraft schöpfte. Sie übereignete einen von ihr gewebten Wandteppich dem Seniorenheim Andreashof. Ein reichliches Vierteljahr vor ihrem 100. Geburtstag verstarb die Seniorin am 14. Oktober 2020.

Anlässlich dieses Ehrentages war eine Zusammenkunft von Verwandten und Weggefährten im Margaretha-Reichardt-Haus geplant, für die Gerd Albers bereits einige Vorbereitungen getroffen hatte. Coronabedingt muss diese allerdings ausfallen. Gerd Albers weiß noch mehr über seine Tante zu berichten: Als enge Mitarbeiterin von Margaretha Reichardt fuhr sie mit ihrer Chefin zur Leipziger Messe oder zu Ausstellungen im Grassi-Museum. Dort „wucherten die beiden Frauen mit dem Pfund des 1919 in Weimar gegründeten Bauhauses, das sich dem Zusammenwirken von Kunst und Handwerk, von freier und angewandter Kunst und Architektur verschrieben hatten“, so Gerd Albers.

Als jüngste von sechs Geschwistern war Anna in jungen Jahren für ihre Mutter eine wichtige Stütze in Haus und Garten in Rhoda. Vor hundert Jahren war es in Erfurt schwierig, für eine so große Familie Wohnraum zu finden. Der Vater baute am Waldrand ein Haus. Es wurde Annas Geburtshaus, als noch längst nicht alle Räume bezugsfertig waren. Das Haus in der Waldecke führte die Familie eng zusammen. Der nahe Wald bot Gelegenheit zum Pilzesammeln, war zugleich ein Refugium, um die Harmonie in der Natur zu genießen, was ihr Kraft gab, das Leben schöpferisch zu gestalten und zu genießen.

 

Quelle: Thüringische Landeszeitung: Heidrun Lehmann

 

Der von Anna Schröder im Bauhaus-Stil gewebte Teppich schmückt einen Flur im Seniorenzentrum Andreashof, wo sie bis zu ihrem Tod im Oktober vorigen Jahres lebte.
© Foto: Heidrun Lehmann

Der von Anna Schröder im Bauhaus-Stil gewebte Teppich schmückt einen Flur im Seniorenzentrum Andreashof, wo sie bis zu ihrem Tod im Oktober vorigen Jahres lebte.

Foto: Heidrun Lehmann

Dieses Porträt von Anna Schröder entstand 2015 bei einem Besuch in der Erfurter Weberwerkstatt.
© Foto: Gerd Albers

Dieses Porträt von Anna Schröder entstand 2015 bei einem Besuch in der Erfurter Weberwerkstatt.

Foto: Gerd Albers

Schenkung zum 110. Geburtstag von Margaretha (Grete) Reichardt


Am 7.März 2017 wäre die Erfurter Bauhäuslerin Margaretha (Grete) Reichardt 110 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass und zur Erinnerung an diese großartige Weberin mit Meister-Diplom,  spendeten die Erfurter Unternehmen Cramer-Edelstahl und Retzlaff-Ing.-büro für Schweißtechnik in Kooperation mit der Firma TECTA – Lauenförde einen Bauhaus-Stuhl vom Typ Breuer-Faltsessel D4 mit schwarzem „Eisengarn“ bespannt.

Doch der TECTA-Geschäftsführer, Herr Axel Bruchhäuser enthüllte dann noch Überraschung:  Einen Breuer-Stuhl Typ B40 mit rotem „Eisengarn“ bespannt ! Herr Bruchhäuser übergab auch Dokumente aus dem Leben von Margaretha Reichardt.

 

Was ist Eisengarn ?

Ein Textilgewebe, welches heute nur noch selten anzutreffen ist – Eisengarn. Mitte des 19. Jahrhunderts von den Fabrikanten Carl Theodor Wuppermann und Phillip Barthels-Feldhoff in Wuppertal entwickelt, fand es Verwendung in Schnürriemen, Hutlitzen, Bändern, Futterstoffen und Nähgarn sowie in der Kabelindustrie. 

Es war die Bauhausschülerin Grete Reichardt, welche 1926 am Bauhaus Eisengarngurte entwickelte, um die ersten Stahlrohr-Stühle von Marcel Breuer und Mies van der Rohe zu bespannen. Das Gewebe wurde erst durch das Bauhaus Dessau einer breiten Masse bekannt und wird heutzutage fast ausschließlich damit in Verbindung gebracht.

Das auch unter Glanzgarn bekannte, mehrfach gezwirntes Baumwollgarn wurde durch bürsten und tränken in einer Appreturmasse verfestigt und zum Glänzen gebracht.

Anders als der Name verheißt, enthält das Gewebe kein Eisen, sondern wird nur aufgrund seiner hohen Strapazierfähigkeit und seiner Festigkeit Eisengarn genannt. Der Herstellungsprozess von Eisengarnen wird Lüstrieren genannt. Beim Herstellen von Eisengarn wird er Bauwollfaden zunächst in gelöster Stärke, und Paraffin getränkt. Die Fasern werden anschließend im Polierverfahren durch Stahlwalzen und Bürsten gespannt um die Fasern zu glätten.

 

Zur Zeit ist die Arbeitsgruppe MRH bemüht die angefangene Reparatur des Jacquard-Webstuhls zu unterstützen. Damit rechtzeitig zur BUGA 2021 wieder nach Entwürfen von Margaretha (Grete) Reichardt  mit diesem Webstuhl Wandbehänge „Blumenstadt Erfurt“ den  Besuchern angeboten werden können.